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Stellungnahme zum aktuellen Widerspruch gegen das Infektionsschutzgesetz

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Seit zwei Wochen erreichen uns mehr als 2.000 Zuschriften aus der gesamten Bundesrepublik zum Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Stefan Zierkes Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf finden Sie im Folgenden.

Es gehört zur meiner Verantwortung und zur Verpflichtung meines Mandats, dass ich diese Zuschriften ernste nehme, prüfe und entsprechend beantworte. Allerdings bin ich auch erschüttert, mit welchem Sprachgebrauch hier teilweise argumentiert wird. Ich weiß nicht, woher die Menschen es nehmen, wenn Sie von „Ermächtigungsgesetz“, „Abschaffung der Demokratie“, „Diktatur“ oder „DDR 2.0“ sprechen. Ich weiß nicht, von welchen Menschen sich die Leute vereinnahmen lassen. In diversen Gesprächen werden keine Argumente mehr angehört. Pauschal ist man dagegen. Evidenzen, repräsentative Statistiken und Fakten, werden mit einem Lächeln abgetan.

Mir und der SPD-Bundestagsfraktion mit so einem Sprachgebrauch zu begegnen, macht mich fassungslos. Denn wir stehen für ein demokratisches Miteinander, für Weltoffenheit, Toleranz und eine wehrhafte Demokratie. Die Sozialdemokratie war es, die sich bis zuletzt gegen die Machtergreifung der Nazis gewehrt – dafür wurden sie 1933 noch im Reichstag verhaftet. Nach den Nazis und der DDR waren wir es, die die jetzige parlamentarische Demokratie maßgeblich mitgeprägt haben. Wir stehen für Vielfalt, Pluralismus und demokratische Parteien.

Daher möchte ich an alle Menschen appellieren, die sich aktuell um die parlamentarische Demokratie sorgen: Lassen Sie sich nicht durch umgedrehte Fakten, Corona-Leugner oder dubiose Nachrichten und Massenmails verunsichern. Sehen Sie sich die öffentliche Anhörung in der Mediathek des Deutschen Bundestages an und verfolgen Sie die parlamentarische Debatte.

Denn mit dem Dritten Gesetz reagieren wir auch auf die Kritik, dass der Deutsche Bundestag als Parlament mehr in die Entscheidungen miteinbezogen wird. Wir konkretisieren die Zuständigkeiten und Befugnisse der Länder und des Bundes. Und wir bereiten uns auf verschiedene Szenarien vor.

Und ja – dazu gehört auch, dass beispielsweise die Bundeswehr mehr Befugnisse erhält, um die Behörden vor Ort zu unterstützen. Dazu gehört auch, dass beispielsweise Nichtversicherte Anspruch auf Testungen und Impfungen haben.

Die Bundestagsfraktionen von SPD und CDU/CSU haben sich mit der Bundesregierung auf eine Präzisierung der Gesetzesgrundlagen für die Maßnahmen der Länder zur Eindämmung der Corona-Pandemie verständigt. Dazu soll durch ein Drittes Bevölkerungsschutzgesetz, über das der Bundestag 6.11.2020 erstmals beraten hat, ein neuer Paragraf 28a im Infektionsschutzgesetz eingeführt werden.

Das Infektionsschutzgesetz ermächtigt die Länder bereits heute, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Eindämmung der Pandemie festzulegen und dabei auch in Grundrechte einzugreifen. Da absehbar ist, dass die pandemische Lage noch andauern wird, sollen die Voraussetzungen und Grenzen von grundrechtseinschränkenden Maßnahmen nun gesetzlich präzisiert werden.

Im Entwurf für ein Drittes Bevölkerungsschutzgesetz, das derzeit parlamentarisch beraten wird, ist dazu die Einführung eines neuen Paragrafen 28a im Infektionsschutzgesetz vorgesehen, mit dem mögliche Schutzmaßnahmen der Länder für die Dauer der vom Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite beispielhaft konkretisiert werden.

Wichtig ist, dass diese Maßnahmen zeitlich befristet sind und auf die Bekämpfung von SARS-CoV-2 beschränkt sind. Zudem sollen die Schutzmaßnahmen das jeweilige regionale Infektionsgeschehen berücksichtigten. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Handlungsmöglichkeiten der Länder nach dem Infektionsschutzgesetz also nicht ausgeweitet, sondern präziser gefasst und damit insgesamt nachvollziehbarer.

Es ist nicht richtig, dass durch dieses Gesetz entsprechende Schutzmaßnahmen automatisch verhängt würden. Es obliegt weiterhin den Bundesländern und zuständigen Behörden, notwendige Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der SARS-CoV-2 Pandemie zu erlassen. § 32 Infektionsschutzgesetz bleibt unangetastet.

Die aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen, die unserer Gesellschaft viel abverlangen, werden nicht vom Bundesgesundheitsminister oder der Bundesregierung erlassen. Das liegt in der Verantwortung der Bundesländer. Mit dem Dritten Bevölkerungsschutzgesetz wollen wir den Ländern dafür eine besser ausgestaltete Rechtsgrundlage geben.

Gerne möchte ich hier auch auf die Argumente eingehen, die mir häufig begegnen:

Fangen wir mit den Experten an:

In der Wissenschaft misst man die Reputation von Forschern und Wissenschaftlern fast ausschließlich anhand der Anzahl und Qualität der einschlägigen Veröffentlichungen zum in Rede stehenden Thema. In sogenannten Peer Reviews werden diese Veröffentlichungen dann von der internationalen Fachwelt geprüft und kritisiert. Ohne den Herren Wodarg, Bhakdi oder Ioannidis zu nahe treten zu wollen, aber sie haben leider keine Veröffentlichungen in den letzten Jahren im Bereich der Epidemiologie vorzuweisen. Leider suggerieren diese Herren jedoch, dass sie Corona-Experten seien. Das ist falsch. Sie stellen eine kleine Minderheit von Medizinern dar, die das Thema nur von außen betrachtet. Unter den weltweit führenden Wissenschaftlern, die jeden Tag in diesem Bereich forschen, gibt es einen breiten wissenschaftlichen Konsens zur Covid-19-Pandemie. Sie haben gemeinsam das John Snow Memorandum unterzeichnet (https://www.johnsnowmemo.com/). Darin wird erklärt, was die große Mehrheit der Wissenschaft über das Virus weiß (und was nicht). Anders als Sie also möglicherweise denken, ist es eben nicht nur Herr Drosten, dem wir unser Vertrauen schenken, sondern beinahe allen weltweit führenden Epidemiologen.

Übersterblichkeit und Infektionssterblichkeit

Häufig wird behauptet, dass es in Deutschland keine Übersterblichkeit durch Corona gebe. Das stimmt. Wir haben bisher durch unser gutes Gesundheitssystem und durch entschlossene Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung verhindert, dass mehr ältere und/oder vorerkrankte Menschen sterben, als in „normalen Jahren“. In diesem Jahr liegt die Sterblichkeit sogar leicht darunter. Doch das trifft nur auf Deutschland zu. Schaut man in andere Länder, sieht die Situation komplett anders aus. Auch hier muss man natürlich immer genau hinsehen. Es gibt glücklicherweise inzwischen zwei einschlägige und renommierte Studien, die ich Ihnen sehr ans Herz legen möchte, um zu verstehen, dass Corona leider doch sehr viel gefährlicher ist als eine Grippe.

Studie zur Übersterblichkeit durch Corona (USA): https://www.cdc.gov/nchs/nvss/vsrr/covid19/excess_deaths.htm

Meta-Studie zur Infektionssterblichkeit durch Corona: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1201971220321809

Was bringen Masken?

Hier kursiert aktuell eine Seite, auf der 44 Studien verlinkt sind, die zeigen sollen, dass Masken gegen Corona nichts bringen. Leider ist diese Seite ein perfides Beispiel dafür, wie Meinungsmache funktioniert. Denn leider macht sich kaum jemand die Mühe in die verlinkten Studien auch reinzulesen. Tut man das, stellt man nämlich fest, dass in den Studien zum Teil ganz andere Untersuchungen zur Wirksamkeit von Masken stattgefunden haben und nicht mit dem Corona-Virus vergleichbar sind. Doch nicht nur das: Häufig werden die Ergebnisse auf der Seite grob falsch dargestellt und in einigen Fällen wird sogar das Gegenteil dessen wiedergegeben, was in den Studien steht. Es ist vollkommen klar, dass nicht jeder Studien liest und dass diese Seite nur dazu benutzt wird, um Stimmung zu machen. Um wirklich zu verstehen, wie der aktuelle Stand der Forschung ist, was man weiß (und was nicht), empfehle ich diesen Artikel: https://www.spektrum.de/news/masken-schuetzen-vor-covid-19/1781798. Dort sind ebenfalls Studien verlinkt. Doch diese sind aktuell und bilden den Stand der Wissenschaft korrekt ab.

Zur Aussagekraft der PCR-Tests gibt es auch einen Artikel, der mit den aktuell kursierenden Mythen aufräumt: volksverpetzer.de/corona-faktencheck/pcr-tests-genau/

Abschließend möchte ich Ihnen noch Folgendes mit auf den Weg geben: Mir ist vollkommen bewusst, dass man uns für Idioten halten kann, wenn man sich fast ausschließlich über die Kanäle der Corona-Leugner informiert. Wie oben bereits eingeräumt, werden dort Dinge häufig so dargestellt, dass sie absolut schlüssig wirken. Doch lassen Sie mich es so klar sagen: Dies ist eine Parallelwelt. Die große Mehrheit der weltweit führenden Wissenschaftler belegt evidenzbasiert, dass Corona eine große Gefahr für unsere Gesundheit ist, und dass wir die Bevölkerung bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffes bestmöglich vor einer Ansteckung schützen müssen. Auch die Spätfolgen und der Grund, warum sie bei manchen Bevölkerungsgruppen in teils schweren Verläufen auftreten, sind noch längst nicht hinreichend erforscht.

Vor diesem Hintergrund müssen wir leider die erheblichen Einschränkungen, die damit verbunden sind, in Kauf nehmen. Das ist übrigens das Einzige, womit die Corona-Leugner recht haben: Die Folgen für unsere Gesellschaft und für unsere Kinder sind furchtbar. Das wissen wir alle. Doch die Alternative einer ungebremsten Ausbreitung des Virus wäre noch viel schlimmer. Das belegen u.a. die oben verlinkten Studien. Bitte lesen Sie sich diese bei Gelegenheit einmal durch.

Auch wenn ich Sie möglicherweise mit meinen Argumenten heute nicht überzeugen konnte, ist es mir ein Anliegen, dass Sie meine Sicht und „die andere Seite“ ein wenig besser nachvollziehen können. In diesen Zeiten beobachten wir eine immer größer werdende Spaltung, ob in dieser Frage, oder auch bei anderen gesellschaftlichen Themen. Der Blick nach Amerika zeigt uns leider in dieser Hinsicht, wo die Reise hingehen kann, wenn wir nicht aufpassen. Es geht daher immer auch darum genau hinzuhören und die andere Seite zu akzeptieren.