Vorletzte Sitzungswoche im Bundestag

Datum:

Es geht in den Endspurt: In der vorletzten Sitzungswoche im Bundestag stehen noch einmal so einige wichtige Themen auf der Tagesordnung. So geht es beispielsweise um bessere Löhne in der Pflege, eine Reform des Bundespolizeigesetzes oder um den Ausbau von Ganztagsbetreuung.


Alle wichtigen Themen der Sitzungswoche finden Sich wie gewohnt im Folgenden.

 

Faire Löhne in der Pflege 

Viele Pflegekräfte in der Altenpflege in Deutschland arbeiten dauerhaft an ihrer Belastungsgrenze. Die große Mehrheit von ihnen erhält bisher jedoch keine angemessene Entlohnung. Deshalb hat die Bundesregierung gesetzliche Vorschriften zur besseren Bezahlung auf den Weg gebracht. Ab September 2022 sind Altenheime und Pflegedienste in Deutschland nur dann zugelassen, wenn sie ihre Angestellten nach Tarif bezahlen. 

Werden alle Pflegekräfte künftig nach Tarif bezahlt, kostet das mehr. Die Kosten dürfen aber nicht zu Lasten der Pflegebedürftigen und ihrer Familien gehen. Der Entwurf sieht deshalb eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung für Kinderlose vor und zwar um 0,1 Prozent auf 3,4 Prozent. Zudem beteiligt sich der Bund mit jährlich einer Mrd. Euro an den Kosten. 

Neben Tariflöhnen in der Pflege nimmt die Bundesregierung darüber hinaus die pflegebedingten Eigenanteile für Pflegebedürftige in den Blick. Um Pflegebedürftige vor steigenden finanziellen Belastungen zu schützen, sieht der Entwurf zeitlich gestaffelte Zuschläge vor. Die Zuschläge fallen umso höher aus, je länger man sich in einem Heim aufhält: Fünf Prozent im ersten Jahr; nach einem Jahr 25 Prozent; nach zwei Jahren 45 Prozent und nach drei Jahren 70 Prozent. 

 

Ganztagsbetreuung in der Grundschule – garantiert 

Wie wichtig eine funktionierende Kinderbetreuung ist, hat die Corona-Pandemie in aller Schärfe gezeigt. Vom ersten Geburtstag bis zum Schuleintritt besteht schon jetzt ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Aber wir wollen mehr: Eltern sollen auch einen Rechtsanspruch darauf haben, ihre Kinder im Grundschulalter bis in den Nachmittag hinein betreuen zu lassen. Dafür haben wir lange gekämpft. Der Regierungsentwurf zur Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern wird nun in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. 

Ab 2026 sollen zunächst alle Kinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch auf ei-nen Ganztagsplatz haben, in den Folgejahren wird er um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Somit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen 1 bis 4 einen Anspruch auf ganztägige Betreuung. 

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder soll in Horten ebenso wie in offenen und gebundenen Ganztagsschulen erfüllt werden. Dafür müssen noch zahlreiche zusätzliche Plätze geschaffen werden. 

Damit Länder und Gemeinden ein solches Angebot schaffen können, unterstützt der Bund den Ausbau mit bis zu 3,5 Mrd. Euro für Investitionen in Ganztagsschul- und Betreuungsangebote. Davon werden 750 Mio. Euro über das Investitionsprogramm zum beschleunigten Ausbau der Bildungsinfrastruktur für Grundschulkinder bereits abgedeckt. Der Bund beteiligt sich darüber hinaus aber auch an den laufenden Betriebskosten der Ganztagsbetreuung: mit 100 Mio. jährlich ab 2026 und dann ansteigend bis 2030 mit 960 Mio. pro Jahr. 

 

Umweltschutz und Landwirtschaft zusammen denken 

Mehr als 275.000 landwirtschaftliche Betriebe produzieren tagtäglich sichere und hochwertige Lebensmittel. Gleichzeitig werden laut Umweltbundesamt fast 9 Prozent aller Treibhausgase in Deutschland in der Landwirtschaft ausgestoßen. 

Im Rahmen der neuen Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) von 2023 bis 2027 erhält Deutschland jährlich sechs Mrd. Euro, die die LandwirtInnen als Direktzahlungen (1. Säule) und über Förderprogramme (2. Säule) erreichen. Mit Hilfe der finanziellen Mittel soll der Klimaschutz in der Landwirtschaft stärker als bisher gefördert werden. 

Die Verteilung der Gelder wird durch vier Gesetzentwürfe geregelt, die in dieser Woche abschließend beraten und bis spätestens Anfang 2022 erstmals als Strategieplan an die Europäische Kommission übermittelt werden. Wurden in der Vergangenheit die Gelder aus der 1. Säule – rund 4,9 Mrd. Euro – vor allem nach der Größe der bewirtschafteten Fläche ausgezahlt, werden künftig 25 Prozent der Direktzahlungen an Öko-Regelungen (EcoSchemes) gebunden. Das heißt: LandwirtInnen erhalten finanzielle Mittel, wenn sie beispielsweise vielfältige Fruchtfolgen anbauen oder auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichten. 

Rund eine Mrd. Euro fließen über die 2. Säule in Förderprogramme, die eine nachhaltige Bewirtschaftung gewährleisten und den ländlichen Raum stärken sollen. Hierfür werden zusätzlich jedes Jahr finanzielle Mittel von der 1. Säule in die 2. Säule umgeschichtet. Aktuell beträgt der Anteil sechs Prozent. In den nächsten sieben Jahren wird er deutlich erhöht: Ist für 2022 ein Anteil von 8 Prozent vorgesehen, soll er für 2026 auf 15 Prozent steigen. Mit Hilfe der neuen Vorgaben soll zudem Grünland erhalten und Moorboden geschützt werden. Außerdem müssen LandwirtInnen künftig drei Prozent ihres Ackerlandes als nichtproduktive Flächen oder für Landschaftselemente vorhalten. Wird gegen diese sog. Konditionalität verstoßen, sollen Gelder gekürzt werden. 

Mit den neuen Vorgaben soll der Beitrag der Landwirtschaft zu mehr Klimaschutz und Biodiversität gefördert werden. Bis Ende 2024 wird dazu ein Evaluationsbericht erstellt. 

 

Reform des Bundespolizeigesetzes 

In dieser Woche schließen wir die parlamentarischen Beratungen des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen zum Bundespolizeigesetz ab. Der Entwurf sieht vor allem neue Kompetenzen und Befugnisse für die BundespolizistInnen bei der Verfolgung von Straftaten und bei der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) vor. BundespolizistInnen sind künftig auch für die Strafverfolgung von Verbrechen zuständig. 

Im Bereich der TKÜ werden die Befugnisse der Bundespolizei ausgeweitet. Auch soll die Bundespolizei eine Befugnis für die Überwachung verschlüsselter Kommunikation (sog. Quellen-TKÜ) erhalten – allerdings ausschließlich zur Bekämpfung von Menschenhandel und Schleuserkriminalität. Darüber hinaus ist die Bundespolizei künftig zuständig für Straftaten im Zusammenhang mit Drohnen oder sog. Laserpointern. Uns ist vor allem wichtig, dass wir das Bundespolizeigesetz nach der letzten Reform 1994 auf den Stand der heutigen Zeit bringen. 

 

Errichtung einer Stiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“ 

Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit und muss gestaltet, gelebt und weiterentwickelt werden. Die Geschichte der Demokratie war in Deutschland wechselhaft und oftmals auch schwierig. Um das demokratische Bewusstsein im Land zu stärken, berät der Bundestag in abschließender Lesung den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Errichtung einer Stiftung „Orte der deutschen Demokratiegeschichte“. 

Die öffentlich-rechtliche Bundesstiftung mit Sitz in Frankfurt am Main soll mit Projektförderungen, Veranstaltungen und Kooperationen bundesweit das Bewusstsein für den Wert der freiheitlich-demokratischen Grundordnung schärfen. Dazu werden nati-onal bedeutsame Orte, die symbolhaft für die wechselvolle Geschichte der Demokratie in Deutschland stehen, gefördert. Konkret gemeint sind damit Orte wie beispiels-weise das Hambacher Schloss, die Paulskirche in Frankfurt oder das Haus der Weimarer Republik. Die SPD-Bundestagsfraktion setzte sich zudem dafür ein, dass keine abschließende Aufzählung von Orten vorgelegt wird, sondern die Konzeption an sich offen ist, sodass auch kleinere Orte und auch gesellschaftliche Veränderungen wie die Erkämpfung des Frauenwahlrechts berücksichtigt werden können. Im parlamentarischen Verfahren wurde dem Wunsch des Bundesrates entsprochen, die Länder mit zwei Sitzen im Stiftungsrat der Stiftung zu berücksichtigen. 

 

Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts 

In dieser Woche beraten wir nach intensiven Beratungen die Novelle des Verfassungsschutzgesetzes abschließend. Der Entwurf der Bundesregierung sieht mehr Befugnisse für die Nachrichtendienste bei der Überwachung digitaler und verschlüsselter Kommunikation vor. Ziel ist es, im digitalen Zeitalter schwere Bedrohungen für unseren Rechtssaat und für die freiheitliche Grundordnung leichter aufzuklären. Wehrhafte Demokratie braucht einen wirksamen Verfassungsschutz als Frühwarnung. Dabei erfordert die effektive Aufklärung schwerer Bedrohungen zeitgemäße Befugnisse. 

Insbesondere zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus in Deutschland sollen die Nachrichtendienste mehr Befugnisse für die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) erhalten. Mit der Quellen-TKÜ kann auf verschlüsselte Messenger-Nachrichten zugegriffen werden. Flankierend werden die Voraussetzungen für eine verbesserte und erweiterte Kontrolle von TKÜ-Maßnahmen durch die G10-Kommission geschaffen. Für diese stärkere Kontrolle durch das Parlament haben wir uns in den Verhandlungen stark gemacht. Und wir haben in einer Entschließung festgelegt, dass der G-10-Kommission dafür auch mehr Personal zur Verfügung gestellt werden soll. 

Bei den Mitwirkungspflichten der Unternehmen haben wir erreicht, dass diese präzisier gefasst werden und klargestellt, dass diese eine Aufhebung von Verschlüsselung ausdrücklich nicht umfassen. 

Vor dem Hintergrund isolierter EinzeltäterInnen wie in Hanau und Halle sieht der Regierungsentwurf außerdem nun auch die Beobachtung von Einzelpersonen vor. 

 

Lieferkettengesetz 

Mit der Koalitionseinigung auf ein Lieferkettengesetz ist uns SozialdemokratInnen ein Durchbruch gelungen. Wir haben ein zentrales Anliegen unter Dach und Fach gebracht – das war harte Arbeit! Aber wir haben den Widerstand der Union gebrochen. Große Teile der Union wollten das deutsche Lieferkettengesetz blockieren oder es im Sinne verantwortungsloser Unternehmen weichspülen. Wir aber haben bis zum Schluss auf klare Regeln bestanden – auch aus Fairness gegenüber jenen Unternehmen, die Menschenrechte schützen. 

Künftig müssen große in Deutschland ansässige Unternehmen prüfen, ob entlang ihrer Wertschöpfungsketten gegen Menschenrechte verstoßen wird – und wirksame Schritte zur Prävention und Abhilfe ergreifen. In die Verantwortung genommen sind ab 2023 Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten, ab 2024 Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Wer gegen die Sorgfaltspflicht verstößt, muss mit hohen Bußgeldern rechnen. Bei großen Unternehmen können diese mehrere Millionen Euro betragen und einen Ausschluss von öffentlichen Aufträgen zur Folge haben. 

Außerdem können Betroffene, die ihre Menschenrechte verletzt sehen, ihre individuellen Ansprüche gegenüber deutschen Unternehmen leichter geltend machen: Indem sie sich von einer Nichtregierungsorganisation oder Gewerkschaft vor deutschen Ge-richten vertreten lassen. Damit schlagen wir ein neues Kapitel auf und werden eines der effektivsten Lieferkettengesetze in Europa haben. 

Ausbeuterische Kinderarbeit und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in globalen Lieferketten müssen ein Ende haben. Das sogenannte Sorgfaltspflichtengesetz ist da ein wichtiger Schritt – und ist eine gute Blaupause für eine europäische Lösung. 

Im parlamentarischen Verfahren haben wir zudem deutlich nachgeschärft: So wird der Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf ausländische Unternehmen ausgeweitet und es wird für faire Wettbewerbsbedingungen gesorgt. Auch Betriebsräte sind künftig beim Sorgfaltspflichtenmanagement mit einzubeziehen. Das wird die Qualität deutlich erhöhen.