Neues aus dem Bundestag

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In dieser vorletzten Sitzungswoche vor der Sommerpause ging es im Deutschen Bundestag um unterschiedlichste Themen. Zentrale Beschlüsse der Woche: Wir reformieren das Bafög und machen es deutlich besser. Und: Wir haben endlich den §219a abgeschafft.

 

Alle Infos zu den aktuellen Themen der Sitzungswoche findet Ihr im Folgenden:

Mehr BAföG und Hilfe in Notlagen

In dieser Woche beraten wir die 27. Novelle des Berufsausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) abschließend. Mit der Novelle reagieren wir auf die enormen Preissteigerungen und sorgen für mehr Chancengleichheit in der Bildung.

Im parlamentarischen Verfahren konnten wir diverse Verbesserungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung erreichen: Die Bedarfssätze steigen um 5,75 Prozent ab dem kommenden Wintersemester und ab dem neuen Schuljahr. Ursprünglich waren fünf Prozent geplant. Den Kreis der Anspruchsberechtigten weiten wir aus, indem wir die Freibeträge der Elterneinkommen stärker anheben als ursprünglich vorgesehen. Dadurch sorgen wir dafür, dass deutlich mehr Menschen BAföG erhalten. Im Gegenzug staffeln wir die Vermögensfreibeträge nach Alter: Bei unter 30-Jährigen liegen sie bei 15.000 Euro, bei über 30-Jährigen bei 45.000 Euro.

Wir heben zudem die Altersgrenze auf 45 Jahre an. Damit erhalten Menschen leichter BAföG, die vorher bereits berufstätig waren, und wir ermutigen sie in ihrer Entscheidung, in einem späteren Lebensabschnitt ein Studium aufzunehmen.

Wir unterstützen Studierende mit Kindern, indem wir den Kinderbetreuungszuschlag um fünf Prozent erhöhen. Auswärts Wohnende profitieren von der Erhöhung des Wohnzuschlags auf 360 Euro. Zudem können künftig einjährige Studiengänge in Ländern außerhalb der EU gefördert werden. Und wir erleichtern die Antragstellung: BAföG kann künftig leichter digital beantragt werden.

Wer es innerhalb der gesetzlichen Frist versäumt hat, den Erlass der Restschulden nach 20 Jahren zu beantragen, erhält nun eine zweite Chance. Die Beantragung auf Restschuldenerlass wird vereinfacht.
Zur Neuaufstellung des BAföG zählt auch ein Nothilfemechanismus, der Teil der 28. BAföG-Novelle ist und in dieser Woche in erster Lesung beraten wird. Er wird vom Bundestag aktiviert und hilft Studierenden in außergewöhnlichen Situationen – wie beispielsweise in der Corona-Pandemie, als viele Nebenjobs weggefallen sind.

Mit dieser ersten Reform machen wir das BAföG wieder fit. Doch noch in dieser Wahlperiode wollen wir es grundsätzlich erneuern – das schreiben wir in einem Entschließungsantrag fest. Wir wollen mit einer weiteren strukturellen BAföG-Reform den Kreditanteil senken und damit der Verschuldungsangst entgegenwirken. Zusätzlich wollen wir einen Fachrichtungswechsel ermöglichen, die Förderhöchstdauer anpassen und über die Kindergrundsicherung eine elternunabhängige Basisförderung für alle volljährigen Studierenden einführen.

 

Ein guter Tag für Frauenrechte: § 219a wird abgeschafft

Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, müssen bisher mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen, wenn sie sachliche Informationen über den Ablauf und die Methoden des Schwangerschaftsabbruchs öffentlich, etwa auf ihrer Homepage, bereitstellen. Betroffenen Frauen wird hierdurch zum einen der ungehinderte Zugang zu sachgerechten Informationen über den sie betreffenden medizinischen Eingriff und zum anderen das Auffinden von geeigneten Ärzte erschwert. Dies behindert den Zugang zu medizinischer Versorgung und beeinträchtigt das Recht auf sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung der Frau.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung schlägt daher die Aufhebung der Strafvorschrift der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch in § 219a StGB vor. Damit können Ärzte über Schwangerschaftsabbrüche informieren, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Und Frauen haben einen freien und sachgerechten Zugang zu medizinischen Informationen über Schwangerschaftsabbrüche. Das ist insbesondere für ungewollt schwangere Frauen wichtig, um selbstbestimmte Entscheidungen treffen zu können.

Begleitende Änderungen des Heilmittelwerbegesetzes sollen dafür sorgen, dass irre-führende oder abstoßende Werbung für Schwangerschaftsabbrüche weiterhin verboten bleibt. Anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung ist für Ärzte zudem nach dem Berufsrecht verboten und kann von den Ärztekammern beispielsweise mit Bußgeldern geahndet werden. Durch eine neue Regelung im Strafgesetzbuch sollen strafgerichtliche Urteile wegen Werbung für den Schwangerschaftsabbruch, die nach dem 3. Oktober 1990 ergangen sind, aufgehoben und die laufenden Verfahren eingestellt werden. Verurteilte Ärzte sollen von dem ihnen anhaften-den Strafmakel befreit werden, der sie mit Blick auf ihr Berufsethos besonders belastet. Der Gesetzentwurf wird in dieser Woche abschließend beraten.

Außerdem beraten wir über das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (StrRehaHomG). Mit diesem wurden die grundrechts- und menschenrechtswidrigen Urteile aufgehoben, die wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen ergangen sind. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit einer Entschädigung für Betroffene geschaffen. Mit der Änderung des StrRehaHomG verlängern wir nun die am 22. Juli 2022 auslaufende gesetzliche Frist zur Antragstellung für eine Entschädigung um fünf Jahre. So soll verhindert werden, dass noch eingehende begründete Anträge auf Entschädigung aufgrund eines Fristablaufs abgelehnt werden müssen.

 

Klimaschutz und Artenvielfalt zusammen denken

Nur der schnelle Ausbau der Erneuerbaren Energien macht uns unabhängig von russischer Energie und bringt uns dem Ziel der Klimaneutralität bis 2045 schrittweise näher. Entscheidend hierfür ist der Ausbau von Windenergie an Land. Windkraftanlagen sollen künftig schneller, aber rechtssicher unter Wahrung hoher ökologischer Schutzstandards genehmigt werden.

Genau das sieht ein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatschG) vor, der diese Woche in den Bundestag eingebracht wird. Erstmals werden bundeseinheitliche Standards für die artenschutzrechtliche Prüfung festgelegt. Die Bewertung, ob sich durch die Errichtung einer Windenergieanlage das Tötungs- und Verletzungsrisiko kollisionsgefährdeter Vögel signifikant erhöht, erfolgt künftig auf Grundlage einer Liste von kollisionsgefährdeten Brutvogelarten. Hinzu kommen gestaffelte, artspezifische und brutplatzbezogene Abstandsvorgaben mit einem Tabubereich und weiteren Prüfbereichen. Im Rahmen der Prüfverfahren werden weniger aufwändige Verfahren angewendet, um den Aufwand zu begrenzen und das Verfahren insgesamt zu beschleunigen. Zudem werden die Prüfung von Alternativen und die artenschutzrechtliche Ausnahmeprüfung vereinfacht. Für das Repowering von Windenergieanlagen an Land, also das Ersetzen alter Kraftwerksteile durch neue Anlagenteile, gelten fortan artenschutzbezogene Vorgaben.
Zugleich kommt der Schutz von besonders durch den Ausbau betroffenen Arten nicht zu kurz. Das Bundesamt für Naturschutz wird nationale Artenhilfsprogramme aufstellen, an denen sich auch Anlagenbetreiber finanziell beteiligen müssen.

 

Mehr Flächen für Windenergie bereitstellen

Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel darauf verständigt, zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie an Land zu nutzen. Derzeit sind bundesweit lediglich 0,8 Prozent der Landesfläche ausgewiesen – davon wiederum sind nur 0,5 Prozent tatsächlich verfügbar.

Um den Ausbau der Windenergie an Land massiv zu beschleunigen, bringen die Koalitionsfraktionen diese Woche einen Gesetzentwurf zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land (WalG) in den Bundestag ein. Der Entwurf legt verbindliche Flächenziele für die Länder fest: Bis Ende 2026 sollen 1,4 Prozent und bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen sein. Das Zwei-Prozent-Flächenziel wird proportional zum ermittelten Flächenpotenzial auf die Bundesländer verteilt: Flächenländer müssen einen Anteil von 1,8 bis 2,2 Prozent ihrer Landesfläche für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung zu stellen. Stadtstaaten hingegen müssen 0,5 Prozent ihrer Landesflächen ausweisen. Grundlage hierfür ist eine Flächenpotenzialstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

Länder, die ihre Ziele übertreffen, können anderen Ländern ihre Windflächen bis zu einem festgelegten Anteil übertragen. Damit erhalten die Länder zusätzliche Flexibilität. Verfehlt ein Land zu bestimmten Stichtagen seine Ziele, sind Windenergieanlagen auch im gesamten nicht beplanten Außenbereich privilegiert zulässig – und zwar so lange, bis die Flächenziele erfüllt werden.

Die Bundesländer dürfen grundsätzlich weiter über Mindestabstände entscheiden, müssen aber sicherstellen, dass sie die festgelegten Flächenziele erreichen. Tun sie das nicht, werden die landesspezifischen Abstandsregeln nicht angewandt. Es bleibt also Sache der Länder zu entscheiden, wie sie ihre Flächenziele erfüllen.