MOZ Interview: Zierke (SPD) sieht Barnim wirtschaftlich robust aufgestellt

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Der Barnimer Bundestagsabgeordnete Stefan Zierke (SPD) hat mit der MOZ über den Ukraine-Krieg, die Energiepolitik der Bundesregierung und die Situation in Eberswalde gesprochen.

 

Das Jahr 2023 ist erneut vom Krieg Russlands gegen die Ukraine geprägt. Die anfängliche große Hilfsbereitschaft nach dem ersten Schock ist verebbt, es ist quasi zur „Normalität“ geworden. Die Kommunen klagen teilweise über Überforderung. Wie bewerten Sie die aktuelle Flüchtlingssituation in der Region?

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist bittere Realität. Täglich sterben sinnlos Menschen und Kinder. Dies verurteile ich auf das Schärfste und solidarisiere mich mit der Ukraine. Dazu gehört auch, Menschen Schutz zu bieten, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Deswegen ist es richtig, dass wir deutschlandweit Möglichkeiten schaffen, diesen Menschen zu helfen. Ich weiß, dass es vor Ort schwierig ist. Sowohl in der Uckermark als auch im Barnim. Daher begrüße ich es, dass alle Ebenen gemeinsam nach tragfähigen und umsetzbaren Maßnahmen suchen, um die Situation souverän zu gestalten. Die Kraft, die einige ins Kritisieren und Schwarzmalen stecken, ist sinnvoller in der pragmatischen Lösungssuche investiert. Deswegen bedanke ich mich allen Aktiven vor Ort, die gemeinsam helfen, die Situation für die Geflüchteten zu verbessern.

Die Kommunen fordern mehr Geld vom Bund für die Bewältigung der Aufgaben. Eine legitime Forderung?

Der Bund hat seine finanzielle Unterstützung bereits deutlich erhöht. Die Kommunen haben eher räumliche Probleme als finanzielle Probleme. Geld allein löst das Problem in meinen Augen nicht. Es geht vielmehr um eine dezentrale Unterbringung und die Möglichkeit, einer guten und vernünftigen Integration sowie das Potenzial der etwaigen Arbeitskräfte zu nutzen. Deutschland war schon immer ein Einwanderungsland und hat sowohl kulturell als auch wirtschaftlich davon profitiert.

Deutschland liefert Waffen an die Ukraine, der Krieg zieht sich weiter. Die Kritik daran wächst. Wie weit kann und will Deutschland bei der Unterstützung der Ukraine mitgehen?

Ich finde es gut, dass wir der Ukraine in enger Absprache mit unseren internationalen Partnern helfen. Natürlich darf es nicht zum Überbietungswettbewerb kommen. Der Kanzler entscheidet hier nach reiflicher Überlegung und Abstimmung. Wir dürfen dabei nicht vergessen, was passiert, wenn wir nicht helfen würden und die Ukraine diesen Krieg verliert. Dann stehen Putins Soldaten und Söldner nämlich dicht vor unserer eigenen Tür.

Haben Sie noch große Hoffnung auf einen positiven Ausgang des Konflikts bzw. was wäre ein positiver Ausgang?

Hoffnung in Diplomatie habe ich immer. Allerdings denke ich nicht, dass Putin ein Interesse an einer diplomatischen Lösung hat. Es gibt für mich aktuell kein Szenario, indem beide Seiten gesichtswahrend rauskommen. Jedes Zugeständnis an Putin, ist ein Verlust der ukrainischen Souveränität. Das Ziel bleibt, dass sich Putins Schergen zurückziehen und den brutalen Krieg beenden. Ich bin fassungslos, dass unsere Kinder sowas im 21. Jahrhundert miterleben müssen.

Viele Themen haben das Land und die Region in den vergangenen Monaten beschäftigt. Unter anderem auch die Energiepolitik. Im April sind die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gegangen. Im Vorfeld wurde von Kritikern eine teils dystopische Stimmung verbreitet. Am Ende ist nichts passiert. Alles lief normal weiter. Glauben Sie, dass die Abschaltung auch auf lange Sicht der richtige Schritt war?

Da haben Sie Recht. Sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesnetzagentur haben hier eine richtig gute Arbeit abgeliefert. Letztendlich war es die richtige Entscheidung. Denn wir haben bis heute keine Lösung für den radioaktiven Atommüll, den wir unseren nachfolgenden Generationen hinterlassen werden. Ich wäre noch beruhigter, wenn unsere europäischen Partner auch noch mitziehen würden und wir uns als Europa energieautark aufstellen.

Auch wenn es bisher keine Engpässe gibt, der Ausbau der Erneuerbaren Energien stockt weiter. Die Bundesregierung ist weit vom Soll entfernt – aus diversen Gründen. Wie wollen Sie es schaffen, die Planziele doch noch zu erfüllen?

Aktuell versorgen wir unser Stromsystem mit 52% aus Erneuerbarer Energie. Im ersten Halbjahr 2023 wurden Windenergie- und PV-Anlagen mit einer Leistung von 8 Gigawatt neu in Betrieb genommen. Der Zubau übersteigt damit deutlich die Werte aus dem ersten Halbjahr 2022. Das sind konkret 481.650 Solaranlagen, 364 Windkraftanlagen an Land und 24 neue Anlagen im ersten Halbjahr auf See. Es geht also voran und ich bin optimistisch, dass das bundesweit auch noch besser wird. Dafür haben wir diverse Gesetze reformiert und zahlreiche Hindernisse beim Windkraft-Ausbau beseitigt. Vereinfachte Verfahren und schlankere Prozesse beschleunigen nun den Ausbau an Land und auf See. Und wir wären sicherlich auch weiter, wenn der Süden des Landes hier mehr mitmachen würde.

Auch lokal gab es viele Hiobsbotschaften zu vermelden. Insbesondere in Eberswalde gab es einige wirtschaftliche Pillen zu schlucken: Cadeju, der Kranbau, in mehreren Ladenpassagen droht Leerstand. Wie bewerten Sie die wirtschaftliche Situation der Stadt bzw. der Region?

Ich meine, dass der Barnim wirtschaftlich robust aufgestellt ist. Wir erleben immer noch Zuzug und damit auch eine stärkere Kaufkraft. Der Speckgürtel boomt und die berlinnahe Region geht immer weiter in den Barnim. Außerdem wird die Region von der Energiewende profitieren. Davon konnte ich mich schon bei meinen Wahlkreisbesuchen überzeugen. Neue Firmen siedeln sich an, Start-Ups bringen Innovation in den Barnim und neue Geschäftsmodelle entwickeln sich rund um die Themen Nachhaltigkeit, Energie und Wasserstoff. Natürlich lassen sich Ihre Beispiele nicht wegdiskutieren. Allerdings hat der Landkreis bisweilen immer gute Lösungen gefunden, um die Arbeitsplätze zu erhalten oder neue Investoren zu gewinnen. Ich denke, das ist das Entscheidende. Und, dass wir lebendige Innenstädte brauchen und die Wertschöpfung vor Ort bleibt. Dabei kann jeder helfen, indem er lokal und nicht Online kauft. Sicher nicht immer die bequemste Lösung, aber langfristig für die Region die beste Entscheidung. Über die positive Entwicklung im Barnim mache ich mir keine Sorgen. Dafür sind die Rahmenbedingungen zu gut.

Erstmalig am 16.08. auf MOZ.de erschienen