Endspurt im Deutschen Bundestag: In der letzten Sitzungswoche geht es nochmal um zentrale Themen der Politik. Die Schlagworte der Woche: Beschleunigter Ausbau von Windenergie, Nato-Beitritt von Finnland und Schweden, mehr Freihandel sowie viele weitere wichtige Tagesordnungspunkte.
Deutschland befürwortet NATO-Beitritt von Finnland und Schweden
Sicherheit in Europa ist seit dem Überfall Russlands gegen die Ukraine nicht mehr selbstverständlich. Auch deshalb haben Finnland und Schweden nach einer breiten Beteiligung von Gesellschaft und Parlament im Mai 2022 den Beitritt zur NATO beantragt. Damit beide Länder NATO-Mitglied werden können, unterzeichnet jedes NATO-Mitglied formal jeweils ein Beitrittsprotokoll für beide Länder.
In Deutschland muss der Bundestag der Unterzeichnung der Protokolle durch die Bundesregierung zustimmen. Wir haben ein Interesse an einem zügigen Abschluss dieses Prozesses, damit es nicht zu einer monatelangen Hängepartie für Finnland und Schweden kommt. Deshalb soll in dieser Woche der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sowie der CDU/CSU-Fraktion eingebracht und abschließend beraten werden. Sobald alle NATO-Mitglieder dem Beitritt zugestimmt haben, kann der NATO-Generalsekretär Finnland und Schweden im Namen aller Vertragsparteien eine förmliche Beitrittseinladung übermitteln.
Handelsabkommen CETA wird ratifiziert
Die Volkswirtschaften der Europäischen Union (EU) und Kanadas sind durch vielfältige Investitions- und Handelsbeziehungen eng miteinander verflochten. Die Wirtschaftsbeziehungen mit Kanada haben erhebliches Potenzial für Ausbau und Entwicklung. In Handel und Investitionen zu intensivieren, macht Lieferketten resilienter, erweitert den Zugang zu kritischen Rohstoffen und erleichtert Investitionen in klima-freundliche Technologien. Den Rahmen für die Handelsbeziehungen zwischen Kanada und der EU soll das Handelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) festlegen. Die Verhandlungen zu diesem Abkommen wurden im Oktober 2016 abgeschlossen, seitdem ist CETA in großen Teilen in vorläufiger Anwendung. Voraussetzung für das endgültige und vollständige Inkrafttreten des Abkommens, insbesondere der Regelungen zum Investitionsschutz, ist die Ratifizierung durch Kanada auf der einen und durch die EU und ihre Mitgliedstaaten auf der anderen Seite. Die Ratifizierung ist in 15 EU-Mitgliedstaaten erfolgt, in 12 Ländern steht sie noch aus, darunter in Deutschland.
In dieser Woche beraten wir im Deutschen Bundestag in 1. Lesung das CETA-Ratifizierungsgesetz. Ziel ist es, mit der Ratifizierung von CETA die Möglichkeiten für Handel und Investitionen zwischen der EU und Kanada zu verbessern, insbesondere durch einen regelgebundenen Marktzugang für Waren und Dienstleistungen sowie besseren Investitionsschutz durch einen unabhängigen Investitionsgerichtshofs. Zu-gleich sollen gemeinsam mit Kanada als einem der engsten Partner der Europäischen Union neue Standards für künftige faire Handelsabkommen gesetzt werden.
Letzte Unklarheiten in Bezug auf den Umfang des Investitionsschutzes werden in Gesprächen auf EU-Ebene und mit der kanadischen Regierung in einer bindenden gemeinsamen Interpretationserklärung beseitigt.
Für Klimaschutz und Energiesicherheit – das „Osterpaket“ kommt!
Erneuerbare Energien spielen eine entscheidende Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität. Vor allem der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine zeigt: Nur der massive Ausbau der Erneuerbaren Energien macht uns unabhängiger von fossilen Energieträgern – und damit auch von russischen Importen.
Im Koalitionsvertrag haben wir uns auf eine ambitionierte Klimapolitik verständigt. In dieser Woche beschließen wir das Osterpaket. Wir gehen damit wichtige Vorhaben an und setzen zentrale Wahlkampfversprechen um.
Im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhalten Erneuerbare Energien künftig einen Vorrang. Es wird gesetzlich verankert, dass die Nutzung Erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Zudem wird das Ausbauziel von Erneuerbaren Energien angehoben: Bis 2030 sollen 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland durch Erneuerbare Energien abgedeckt werden. Um dies zu erreichen, erhöhen wir gleichzeitig die Ausschreibungsmengen für Windenergie an Land und Solarenergie. Hinzu kommen Maßnahmen, die die finanzielle Förderung und den Bau von Photovoltaik-Anlagen stärken.
Insgesamt soll der Strom bis 2035 nahezu vollständig aus Erneuerbaren Energien stammen. Künftig können Wind- und Solarprojekte von Bürgerenergiegesellschaften gebaut werden, ohne dass sie zuvor an einer Ausschreibung teilnehmen müssen. Zudem entlasten wir Kommunen finanziell stärker beim Bau von Windenergie an Land und geben ihnen mehr Mitspracherechte. Das stärkt die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung.
Wir stärken zudem den Ausbau der Photovoltaik, unter anderem indem wir uns auf höhere Vergütungssätze einigen. Besonders hervorzuheben ist der erhöhte Tarif für die Teileinspeisung – wird ein Teil des erzeugten Solarstroms direkt im eigenen Haushalt verbraucht, wird der restliche eingespeiste Strom fortan mit 8,6 Cent / kWh vergütet. Diese Erhöhung ist wichtig, damit kleine PV-Anlagen trotz der gestiegenen Kosten weiterhin auskömmlich sind. Außerdem geben wir zusätzliche Gebiete frei für den Ausbau von PV-Freiflächenanlagen. Zum einen sind das die Randstreifen (Erhöhung von 200 auf bis 500 Meter) von Autobahnen und Schienenwegen. Zum Zweiten können auf Grünland auch PV-Anlagen gebaut werden. Um die Artenvielfalt nicht zu gefährden, sind Naturschutzgebiete davon ausgenommen.
Auch die Ausbauziele für Windenergie auf See im Windenergie-auf-See-Gesetz wer-den erhöht: auf mindestens 30 Gigawatt bis zum Jahr 2030, mindestens 40 Gigawatt bis zum Jahr 2035 und mindestens 70 Gigawatt bis zum Jahr 2045. Um die Ausbauziele zu erreichen, beschleunigen wir die Planungs- und Genehmigungsverfahren.
Der Gesetzentwurf zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land legt erstmals verbindliche Flächenziele für die Länder fest: bis Ende 2027 sollen 1,4 Prozent und bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen sein. Das Zwei-Prozent-Flächenziel wird proportional zum ermittelten Flächenpotenzial auf die Bundesländer verteilt: Flächenländer müssen einen Anteil von 1,8 bis 2,2 Prozent ihrer Landesfläche für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung zu stellen. Stadtstaaten hingegen müssen 0,5 Prozent ihrer Landesflächen ausweisen. Grundlage hierfür ist eine Flächenpotenzialstudie im Auftrag des BMWK.
Länder, die ihre Ziele übertreffen, können anderen Ländern ihre Windflächen bis zu einem festgelegten Anteil „übertragen“. Damit erhalten die Länder zusätzliche Flexibilität. Verfehlt ein Land zu bestimmten Stichtagen seine Ziele, sind Windenergieanlagen auch im gesamten nicht beplanten Außenbereich privilegiert zulässig – und zwar so lange, bis die Flächenziele erfüllt werden.
Die Bundesländer dürfen grundsätzlich weiter über Mindestabstände entscheiden, müssen aber sicherstellen, dass sie die Flächenziele erreichen. Tun sie das nicht, werden die landesspezifischen Abstandsregeln nicht angewandt. Es bleibt also Sache der Länder zu entscheiden, wie sie ihre Flächenziele erfüllen.
Wir wollen Windkraftanlagen zügig und rechtssicher unter Wahrung hoher und europarechtlich gebotener ökologischer Schutzstandards genehmigen. Deshalb werden im Bundesnaturschutzgesetz erstmals bundeseinheitliche Standards für die arten-schutzrechtliche Prüfung festgelegt. Die Bewertung, ob sich durch die Errichtung einer Windenergieanlage das Tötungs- und Verletzungsrisiko kollisionsgefährdeter Vögel signifikant erhöht, erfolgt künftig auf Grundlage einer Liste von kollisionsgefährdeten Brutvogelarten. Hinzu kommen gestaffelte, artspezifische und brutplatzbezogene Abstandsvorgaben mit einem Tabubereich und Prüfbereichen. Im Rahmen der Prüfverfahren werden weniger aufwändige Verfahren angewendet, um den Aufwand zu begrenzen und das Verfahren insgesamt zu beschleunigen. Zudem werden die Alternativenprüfung und die artenschutzrechtliche Ausnahmeprüfung vereinfacht. Für das Repowering von Windenergieanlagen an Land gelten fortan artenschutzbezogene Vorgaben.
Zugleich kommt der Schutz von besonders durch den Ausbau betroffenen Arten nicht zu kurz. Das Bundesamt für Naturschutz wird nationale Artenhilfsprogramme aufstellen, an denen sich auch Anlagenbetreiber finanziell beteiligen.
Abstimmung über die beschleunigte Beschaffung für die Bundeswehr
Der Bundestag berät in dieser Woche abschließend den von den Koalitionsfraktionen SPD, Grünen und FDP vorgelegten Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr (BwBBG). Dieses Gesetz ist in Zusammenhang zu sehen mit dem kürzlich beschlossenen Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Mrd. Euro.
Um die Bundeswehr nun auch schneller mit der nötigen Ausrüstung versorgen zu können, soll es den Vergabestellen für die nächsten viereinhalb Jahre ermöglicht werden, Aufträge schneller und unkomplizierter zu vergeben, als dies nach der aktuellen Rechtslage möglich ist. Die gesetzlichen Änderungen am Vergaberecht sind bis zum 31. Dezember 2026 befristet. Es gibt jedoch auch eine Option, die Regelungen zu verlängern.
Das veränderte Vergabeverfahren sieht vor, dass Unternehmen in Staaten, die nicht die notwendige Gewähr für die Wahrung der Sicherheitsinteressen Deutschlands bieten, von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Indem bei der Entscheidung über eine Vorabgestattung des Zuschlags die Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen stärker Berücksichtigung finden, werden Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren beschleunigt.
Ende 2024 wird die Bundesregierung einen Evaluierungsbericht vorlegen und die Maßnahmen bewerten. In diesem Bericht soll die Anzahl der Vergaben, die Verfahrensdauer und die europäische Auswirkung des Gesetzes besonders beleuchtet werden.
Bei Engpässen mehr Gas sparen im Stromsektor
Russland hat jüngst die Gaslieferungen nach Europa gedrosselt. Auch Deutschland ist unmittelbar davon betroffen: Der russische Energiekonzern Gazprom hat die Gas-zufuhr durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 um mehr als die Hälfe gesenkt. Kommt es in Deutschland zu einer Gasmangellage, muss Deutschland den Gasverbrauch in der Stromerzeugung deutlich reduzieren können umso die Folgen des Gasmangels abzumildern.
Deshalb bringen die Koalitionsfraktionen diese Woche im Bundestag, ein Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken und zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage, ein. Der Entwurf sieht vor, befristet bis zum 31. März 2024, eine Gasersatz-Reserve auf Abruf einzurichten. Damit wird der außerordentliche Betrieb von Kohle- und Mineralölkraftwerken ermöglicht, sowie die entsprechenden Vorbereitungen getroffen und Vorräte angelegt.
Durch die zusätzlichen Erzeugungskapazitäten soll die Stromerzeugung in mit Erd-gas befeuerten Kraftwerken soweit wie möglich ersetzt werden. Darüber hinaus kann unter bestimmten Bedingungen der Betrieb von Gaskraftwerken eingeschränkt oder ausgesetzt werden. Dabei haben wir in den Verhandlungen durchgesetzt, dass insbesondere die KWK-Gaskraftwerke der allgemeinen Versorgung und damit auch die Stadtwerke geschützt bleiben und nicht mit einer Strafsteuer belegt werden, damit die Fernwärmeversorgung sichergestellt bleibt und die Kosten nicht künstlich in die Höhe getrieben werden.
Das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, den Kohleausstieg idealerweise im Jahr 2030 zu vollenden, bleibt von dem Gesetz unberührt.
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