Neues aus dem Bundestag

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In der ersten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages im November werden zentrale Meilensteine der Politik dieser Ampel-Regierung beschlossen. Die wichtigsten Beschlüsse im Angesicht der aktuellen Energiepreiskrise: Das neue Bürgergeld und die Wohngeldreform.

 

Alle Infos zu den wichtigsten Themen der Woche finden sich im Folgenden:

Das neue Bürgergeld kommt – für mehr Respekt und Sicherheit

Ab 2023 ersetzt das neue Bürgergeld die bisherige Grundsicherung, also Hartz IV. Die Reform soll dann schrittweise in den Jobcentern umgesetzt werden. Mit dem Bürgergeld setzen wir auf gegenseitiges Vertrauen und erneuern das Schutzversprechen unseres Sozialstaats.

Mit der Einführung des Bürgergelds wird der Regelsatz um 53 Euro erhöht und künftig schneller an die Inflation angepasst. In den ersten sechs Monaten des Bürgergeld-Bezugs – der Vertrauenszeit – wird besonders auf Zusammenarbeit auf Augenhöhe gesetzt. Leistungskürzungen sind dann nur bei einem wiederholten Meldeversäumnis möglich – aber nicht, wenn dies im Einzelfall zu einer außergewöhnlichen Härte führen würde.

Menschen sollen durch eine umfassende, individuelle und passgenaue Beratung und Unterstützung langfristig in Arbeit gebracht werden. Die Basis hierfür ist gegenseitiges Vertrauen und Kooperation. Der Vermittlungsvorrang, also die vorrangige Vermittlung in Jobs – mitunter auch Hilfstätigkeiten –, wird abgeschafft, um insbesondere auch Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer Berufsausbildung zu unterstützen. Hierfür ist auch ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro vorgesehen. Wenn Leistungsberechtigte an einer Maßnahme teilnehmen, die für eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt besonders wichtig ist, erhalten sie einen Bürgergeld-Bonus von 75 Euro.

In den ersten zwei Jahren des Bürgergeld-Bezugs gilt eine Karenzzeit. Das bedeutet: Die Kosten für Unterkunft und die angemessenen Heizkosten werden übernommen und unerhebliches Vermögen spielt keine Rolle. Die Vermögensprüfung wird vereinfacht und Freibetragsregelungen werden verbessert.

Zudem wird auch die Förderung für den sozialen Arbeitsmarkt entfristet. Damit ermöglichen wir soziale Teilhabe durch Arbeit in längerfristig öffentlich geförderter Beschäftigung. Ziel bleibt dabei die langfristige Integration in eine ungeförderte Beschäftigung.

Im parlamentarischen Verfahren konnten wir eine Reihe von Verbesserungen erreichen: Künftig sollen Reha-Bedarfe ermittelt und anerkannt werden. Ein mögliches Coaching nach Vermittlung in Arbeit soll nicht nur auf sechs Monate begrenzt sein, sondern im Einzelfall bis zu neun Monaten einsetzbar sein. Wenn jemand ein kleines Erbe erhält, wird es nicht vom Regelsatz abgezogen, sondern als Vermögen angerechnet, sofern die Vermögensgrenze noch nicht erreicht wurde. Taschengeld beim Bundesfreiwilligendienst wird freigestellt, auch hier gilt für Jugendliche unter 25 Jahren insgesamt ein Absetzbetrag von 520 Euro. Zudem haben wir uns dafür eingesetzt, dass Ratenzahlungen immer möglich sind, wenn im Voraus überwiesenes Geld zurückgezahlt werden muss, weil jemand einen Job aufgenommen hat und keine Bürgergeld-Leistungen mehr benötigt.

Den Gesetzentwurf der Bundesregierung beraten wir in dieser Woche in 2./3. Lesung.

Wohngeld-Plus und faire Aufteilung bei den CO2-Kosten

Mit dem Wohngeld-Plus-Gesetz wird das Wohngeld erhöht und der Kreis der Berechtigten deutlich ausgeweitet. So werden gerade Bürger:innen mit geringem Einkommen von den gestiegenen Energiekosten entlastet. Über den dazu von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vorgelegten Gesetzentwurf berät der Bundestag in dieser Woche abschließend.

Die Wohngeldreform ist Teil des dritten Entlastungspakets. Rund 1,4 Millionen Haushalte sollen durch die Reform erstmals oder erneut einen Wohngeldanspruch erhalten. Damit erreicht das Wohngeld ab 2023 insgesamt rund zwei Millionen Haushalte statt wie bislang ungefähr 600.000. Der Wohngeldbetrag soll sich 2023 mit der Reform um durchschnittlich 190 Euro pro Monat erhöhen und verdoppelt sich damit von 180 Euro pro Monat auf rund 370 Euro pro Monat.

Zusätzlich soll eine dauerhafte Heizkostenkomponente die steigenden Heizkosten dämpfen. Außerdem wird das Wohngeld um eine Klimakomponente ergänzt, die Mieterhöhungen durch Modernisierungen für mehr Klimaneutralität abfedert. Sie wird als Zuschlag gewährt, wenn die Mieterhöhung nicht bei der Berechnung des Wohngeldes berücksichtigt werden kann.

Im parlamentarischen Verfahren haben wir erreicht, dass der Zeitraum der Bewilligung bei gleichbleibenden Verhältnissen – wie zum Beispiel bei Rentner:innen – von 18 auf 24 Monate ausgedehnt wird. Eine vorläufige Bewilligung wird zudem dann automatisch als endgültige Entscheidung festgesetzt, wenn innerhalb eines Jahres keine endgültige Entscheidung seitens der Wohngeldstelle getroffen wird. Und wir schaffen eine Übergangsregelung für Personen, die aus dem SGB II ins SGB XII wechseln und nun wohngeldberechtigt sein werden.

Im Zusammenhang mit der Reform des Wohngelds schließen wir in dieser Woche nun auch das Gesetz zur Aufteilung der CO2-Kosten beim Heizen ab. Seit 2021 wird beim Heizen mit Öl und Erdgas eine zusätzliche CO2-Agabe erhoben. Bisher mussten Mieter:innen diese Kosten alleine tragen, künftig werden nun auch Vermieter:innen stärker beteiligt. Das sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor.

Je nach energetischem Zustand des Mietshauses werden die Kosten abgestuft entsprechend dem Kohlendioxidausstoß des Gebäudes pro Quadratmeter Wohnfläche verteilt. D.h. in dem Stufenmodell gilt: Je schlechter der energetische Zustand eines Gebäudes, desto höher ist der Kostenanteil für Vermieter:innen. So soll auf Vermieter:innenseite ein Anreiz zu Investitionen in klimaschonende Heizungssysteme und energetische Sanierungen gesetzt werden – auf Seite der Mieter:innen ein Anreiz zu energieeffizientem Verhalten. Bei Nichtwohngebäuden soll zunächst eine hälftige Teilung der Kohlendioxidkosten eingeführt werden, wobei wir im parlamentarischen Verfahren festgelegt haben, dass das Stufenmodell für Nichtwohngebäude nun auch früher gilt als ursprünglich geplant – nämlich ab 2025.

Im parlamentarischen Verfahren haben wir erreicht, dass ein Online-Tool für die Berechnung des CO2-Preises gesetzlich verankert wird. So können Mieter:innen und Vermieter:innen errechnen, wie hoch die Kosten oder die Erstattungen sind. Außerdem werden Brennstoffhändler verpflichtet, auf ihren Rechnungen darüber zu informieren, dass Mieter:innen, die sich selbst mit Wärme versorgen, einen Erstattungsanspruch gegenüber den Vermieter:innen haben. Das Stufenmodell wird dahingehend angepasst, dass in der Stufe mit den energetisch schlechtesten Gebäuden die Mieter:innen mit fünf (statt zehn) Prozent beteiligt werden und die Aufteilung somit 5 % Mietende und 95 % Vermietende entspricht.

Die Regelungen sollen unbefristet gelten und bis zum 31. Dezember 2025 evaluiert werden.

 

Mindestwahlalter bei Europawahlen wird auf 16 Jahre gesenkt

Das Mindestwahlalter von 18 Jahren für das aktive Wahlrecht bei Europawahlen schließt Menschen vom Wahlrecht aus, die an vielen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen. Gerade die junge Generation ist von Fragen betroffen, die aktuell Gegenstand demokratischer Entscheidungsprozesse sind.

Themen wie beispielsweise der Klimaschutz, die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme angesichts des demographischen Wandels, die Prioritätensetzung bei öffentlichen Investitionen und die Regulierung des Internets gestalten die Zukunft nachhaltig und haben damit Wirkung weit über Legislaturperioden hinaus. Die Koalitionsfraktionen schlagen daher vor, das Mindestwahlalter für das aktive Wahlrecht bei Europawahlen von 18 auf 16 Jahre zu senken.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen beraten wir in dieser Woche abschließend.

 

Weitere Entlastungen durch das Inflationsausgleichsgesetz

Mit dem Inflationsausgleichsgesetz sollen die mit der hohen Inflation verbundenen Belastungen für Bürger:innen gedämpft und so der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Nach Einbringung in 1. Lesung wurde der Gesetzentwurf auf Grundlage des Existenzminimums- und des Progressionsberichtes angepasst. Dies betrifft zum einen den Ausgleich der kalten Progression durch eine weitere Verschiebung der Tarifeckwerte bei der Einkommensteuer, zum anderen eine weitere Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages sowie des Unterhaltshöchstbetrages für die Jahre 2023 und 2024. Zudem sieht der Gesetzentwurf eine Anhebung des Kindergeldes vor. Nach den Vorschlägen des Bundesfinanzministeriums belaufen sich die dadurch erreichten Entlastungen insgesamt auf 45,05 Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren.

Wir beraten den Gesetzentwurf der Bundesregierung in dieser Woche abschließend.

 

Energiesicherheit durch befristeten Weiterbetrieb von Atomkraftwerken

In dieser Woche beschließt der Bundestag die Änderung des Atomgesetzes. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Kernkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 befristet bis zum 15. April 2023 in Betrieb zu lassen.

Für diesen so genannten „Streckbetrieb“ werden lediglich die bereits in den Atomkraftwerken vorhandenen Brennelemente genutzt, bis sie abgebrannt sind. Der Entwurf stellt außerdem klar, dass der Einsatz neuer Brennelemente nicht zulässig ist. Somit entstehen auch keine zusätzlichen hochradioaktiven Abfälle.

Alle drei Kernkraftwerke können bis Mitte April 2023 zusätzlich rund fünf Terawattstunden (TWh) elektrische Energie liefern und zugleich eine geringe Einsparung bei der Stromerzeugung in Gaskraftwerken bewirken. Das hilft für den Winter 2022/2023 eine stabile Energieversorgung in Deutschland zu gewährleisten. Auch Stromlieferungen ins Ausland zur Unterstützung des europäischen Strommarktes bleiben weiter möglich.

 

Bessere Rahmenbedingungen für Erneuerbaren Energien

Die Bundesregierung will die Rahmenbedingungen für die Erneuerbaren Energien im Städtebaurecht verbessern und hat dafür einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt, über den wir in dieser Woche erstmals beraten. Mit der Novelle soll der Ausbau von Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen beschleunigt, die Produktion von Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien unterstützt und die Nutzung von Windkraft und Biomasse verbessert werden. Um die Gas-, Strom- und Wärmeproduktion von Bioenergieanlagen zu erhöhen, wird die bestehende Kapazitätsgrenze für Biogasanlagen im Außenbereich bis Ende 2024 ausgesetzt. Außerdem wird es Lockerungen bei den Anforderungen an die Herkunft der Biomasse geben. Ziel ist, dass auch die bestehenden Bioenergieanlagen kurzfristig dazu beitragen, energiepolitisch unabhängiger zu werden.

Die Änderungen erleichtern zudem die Nutzung überschüssigen Stroms der Windenergieanlagen zur Produktion von Wasserstoff. Bisher mussten Windenergieanlagen bei hohem Windaufkommen für einen begrenzten Zeitraum abgeschaltet werden, um Netzengpässe zu vermeiden. Künftig stehen technische Gründe der Nutzung der gesamten Erzeugungskapazität nicht mehr im Wege.

Die Flächenpotenziale von Tagebaufolgeflächen sollen für die Erzeugung von Strom aus Photovoltaik- oder Windenergieanlagen schnell und unkompliziert erschlossen werden. Dazu soll die Nachnutzung für solche Anlagen rechtlich privilegiert werden. Eine neue Verordnungsermächtigung im Baugesetzbuch soll es darüber hinaus den betroffenen Bundesländern erleichtern, die Flächen ganz oder teilweise für die Erzeugung Erneuerbarer Energien zu nutzen.